SCHNAITTACH (ik) Ulrich Maly entpuppte sich vor zwei Jahren als echtes Show-Talent, als Kabarettistin Andrea Lipka den Nürnberger OB zum nicht ganz ernsten Polit-Talk ins Tausendschön bat. Diesmal holte sich Lipka gleich drei schlagfertige Männer aufs Podium- kein Problem für die redegewandte Plaudertasche, die die SPD-Kandidaten des Landkreises auf der roten Couch routiniert in die kabarettistische Mangel nahm.
Dass so manche Partei den Wählern schöne Augen macht, sobald die Wahlen anstehen, ist hinlänglich bekannt. Dass Landtagskandidat Thomas Beyer, der einzige Politprofi, der an diesem Abend Rede und Antwort stehen muss- schon auch mal mit selbigen klimpert, um Nachwuchs für den Bundestag – in diesem Fall Christian Nürnberger- zu rekrutieren, wird zum runnigen Gag an diesem vergnüglich entspannten, manchmal auch philosophischen Abend, der am Ende weit mehr ist, als eine bloße Präsentation der wichtigsten politischen Positionen noch einmal kurz vor der Wahl.
Dafür sorgt schon Andrea Lipka, die die von den SPD-Ortsvereinen Schnaittach und Rückersdorf initiierte Veranstaltung mit der richtigen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Respektlosigkeit moderiert. Das lose Mundwerk, das Elfriede Rumpler und die anderen Bühnenfiguren der 46-Jährigen ihr Eigen nennen, bietet geradezu eine Steilvorlage, das Verhältnis von Männern und Frauen im Leben und in der Politik zu analysieren- und an den Eitelkeiten der gemeinhin von Lipka als wortkarg eingeschätzten XY Chromosomenträger zu kratzen.
Die drei Herren auf dem roten Sofa fühlen sich dabei augenscheinlich wohl- und kommen trotzdem manchmal ganz schön ins Schwitzen. Da muss sich Christian Nürnberger schon fragen lassen, ob das nicht Koketterie sei, immer den armen Bauernbub aus Schönberg zu geben, wo er doch heute dank medialer Karriere und prominenter Frau eher auf Rosen gebettet sei. Nein, versichert der treuherzig, Rosen seien es nicht, dafür habe er als Redakteur und Autor leider nicht genug verdient, aber es gehe ihm natürlich materiell gut.
Der Landtagsreden erfahrene Thomas Beyer, der bei der politischen Vorstellungsrunde nach fünf Minuten gerade mal aufgewärmt ist und gerne noch weiter erklären würde, warum er eigentlich in die Politik gegangen ist- wird von Lipka abberufen- nicht ohne zu parieren, dass er gerade beweisen wollte, dass Männer durchaus genügend reden.
„Mammut tot“ -an diesem Abend hat die Theorie vom wortkargen Steinzeitjäger keinen Bestand, genauso wenig wie die Klischees, die dem Politikbetrieb als kaltem Egomanentum oft anhaften. Offen und selbstkritisch stellen sich die Kandidaten den Fragen Lipkas, die diese in einer kleinen Revue aus Best Off Szenen ihrer Programme und Dialogen formuliert.
Auch Bezirkstagskandidat Michael Groß, der den Politbetrieb noch vor sich hat, als Mitglied der Kabaretttruppe „Die talentfreie Zone“ aber seit vielen Jahren auch singt und Kabarett spielt. Der dreifache Familienvater nimmt das Publikum im voll besetzten Tausendschön mit Authentizität für sich ein. Er sei immer gerne Seelsorger gewesen, erzählt er im Gespräch und in dieser Zeit sei bei ihm auch das Bewusstsein gereift, dass die Entwicklung der Gesellschaft auseinandergehe und man dagegen steuern müsse, sagt der 43-jährige Theologe und Caritaschef, der im Herbst für den Bezirkstag kandidiert.
Wie das gelingen kann, Thomas Beyer, der seit zehn Jahren in der bayerischen Opposition versucht, Hebel zu drücken, wüsste es schon. Doch im Verbund einer Partei und des Politbetriebes, in dem, so Beyer selbstkritisch, für die Wähler vieles nicht mehr nachvollziehbar sei, sei das nicht immer einfach, dazu brauche es Mut. „Warum trauen wir uns nicht, das zu sagen“, übt er im Hinblick auf die nun verbesserte Mütterente, die auch von vielen in der SPD befürwortet worden war, Kritik an den eigenen Genossen. Dabei solle man nicht so vermessen sein, zu glauben, dass man als einzelner in der Politik Großes bewegen oder gar Fußspuren hinterlassen könne, so der erfahrene Landespolitiker. Es seien kleine Schritte, die man gehe, „und wenn man einmal von einem sagt, er war dabei glaubwürdig, hat sich das gelohnt“.
Authentisch bleiben, neugierig und unbequem- das hat sich auch Christian Nürnberger vorgenommen, der, sollte er in den Bundestag gewählt werden, gerne Familienminister würde, „wer, wenn nicht ich, wäre die perfekte Quotenfrau dafür“, kokettiert er in Anspielung auf seine Karriere als Hausmann. Im Übrigen sei der Politikbetrieb, so wie er ihn bisher kennengelernt habe, gar nicht so schlecht, wie ihn die Medien machten, „ich treffe auf viele motivierte und engagierte Leute“.
Apropos Haushalt: da fordert Andrea Lipka auch von den beiden anderen Kandidaten eine klaren Aussage darüber, wie sie die von der SPD vielbeschworene Gleichberechtigung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf zuhause vollziehen. Er sei kein „Held“, räumt Thomas Beyer ein, aber schon fähig dazu, den Staubsauger zu schwingen oder mal ein Hemd zu bügeln, allerdings habe er wenig Gelegenheit dazu, da er selten zu Hause sei. Er mache das „volle Programm“, wasche Wäsche, kaufe ein und koche, sagt Michael Groß, das forderten nicht seine Kinder von ihm, „das ist für mich auch ein Ausgleich“.
Am Schluss dürfen die drei dann noch einmal knackig für sich werben, beim Elevator Pitch, bei dem in 60 Sekunden klar werden soll, warum sie die richtigen Köpfe für das Nürnberger Land sind. Ein heißes Herz und einen kühlen Kopf wünscht Andrea Lipka ihren Gästen am Ende noch für die anstehenden Herausforderungen, bevor sich die Veranstaltung aus dem heißen Saal auf die kühle Terrasse des Schnaittacher Schwimmbades verlegt.